Sind wir in Deutschland, was Innovation und Zukunftstechnologie angeht, wirklich so hinten dran oder reden wir uns das nur ein?
Ok, zugegeben: Ich bin nicht ohne Bias, wenn es um Christoph Keese geht. Ich habe seine anderen Bücher bereits sehr gut gefunden und auch sein hy-Podcast ist ein fester Bestandteil meiner Spotify-Playlist. Umso mehr habe ich mich auf sein neues Buch gefreut: „Life Changer“. Die alten Bücher von Christoph haben mich mitunter dazu inspiriert, einmal selbst im Silicon Valley zu leben und zu arbeiten. Genau das tue ich jetzt gerade, auf der Suche nach Inspiration. Ich wollte ein inspirierendes Buch für meinen Aufenthalt mitnehmen und witzigerweise, hat das dieses Mal den Fokus auf Deutschland gerichtet. Und das passt tatsächlich auch ziemlich gut, denn: Bei vielem von dem, was ich hier derzeit in der Bay Area sehe und erlebe denke ich mir „da müssen wir uns in Deutschland und der Schweiz wirklich nicht verstecken!„. Ein Gefühl, dass „Life Changer“ bestätigt und mich hoffnungsvoll stimmen lässt.
Folgt man den Diskussionen in den Medien, gibt es scheinbar ein richtiges Deutschland-Bashing, wenn es um die Themen Digitalisierung, Deep-Tech und Forschung geht. Dass wir bei all dem Nörgeln nur zu gerne übersehen, wie Zukunftstechnologien mitten unter uns entwickelt werden, ist fast schon symptomatisch für uns Deutschen: Meckern können wir gut.
Natürlich läuft nicht alles perfekt und viele der Kritiken sind berechtigt. Dennoch verliert man durch den ständigen Pessimismus den Blick darauf, was möglich wäre und noch viel wichtiger, was heute schon (oft nicht direkt sichtbar) schon existiert.
Umso mehr hat es mich gefreut, dass Christoph Keese mit seinem neuen Buch Life Changer, den Blick nach innen (Deutschland) gerichtet hat – mit der Mission, das Positive aufzuzeigen. Warum ihm das (meiner Meinung nach) hervorragend gelungen ist, erfahrt ihr in dieser Rezension.
Buchdetails
Titel | Life Changer |
Untertitel | Zukunft made in Germany: Wie moderner Erfindergeist unser Leben verändert und den Planeten rettet |
ISBN | 332860247X |
Verlag | Penguin |
Veröffentlichung | 16.06.2022 |
Umfang | 336 Seiten |
Sprache | Deutsch |
Shoplink | Link |
Welches Thema und Problem adressiert „Life Changer“?
Christoph Keese beschreibt in seinem neuen Buch nichts anderes, als das grosse Ganze, nämlich wie die Industriezweige Energie, Kommunikation, Mobilität, Gesundheit, Ernährung, Bildung, Gesellschaft und Staat zusammenhängen. Aufgeteilt in drei Kapitel, erfahren wir, wie durch den Einsatz von Technologie alles aufeinander aufbaut und alles von allem irgendwie abhängt.
Christoph wird dabei nie müde zu erwähnen, wie stark diese Abhängigkeiten in Zukunft noch werden und dass es ein Fehler wäre, den Blick für das grosse Ganze zu verlieren. Nur so wird es gelingen, mit Hilfe von Technologie, eine lebenswerte Zukunft sicherzustellen. Technologien, an denen heute bereits ambitionierte und visionäre Menschen in Deutschland (sog. Life Changer) arbeiten.
Technologie löst Probleme, die Technologie geschaffen hat.
Life Changer
Wie für Christoph Keese üblich, enthält das Buch zahlreiche Praxisbeispiele und verschiedene Fakten, die die jeweiligen Aussagen untermauern. Das Ganze wird aber (auch durch leicht verständliche Diagramme) sehr einfach und anschaulich erklärt. Man hat, trotz der stellenweise vielen Zahlen nie das Gefühl ein trockenes Sach- bzw. Fachbuch zu lesen. Bei den erwähnten Interviews merkt man richtig, wie euphorisch er selbst dabei gewesen sein muss.
In dem Buch versucht Christoph, einen positiven und hoffnungsvollen Grundtenor und Grundoptimismus zu verbreiten – das gelingt ihm. Dennoch geht er, vor allem gegen Ende hin, auch stark auf Defizite in der heutigen Technologiewelt in Deutschland ein – Stichwort Finanzierung. Das Ganze mit der notwendigen Dringlich- aber auch Sachlichkeit.
Mit gut 300 Seiten ist „Life Changer“ relativ umfangreich. Beim nächsten Mal dürften die einzelnen Aussagen gerne eher auf den Punkt gebracht werden, sodass es am Ende 200 Seiten statt 300 werden. Aber das ist auch der einzig „grosse Kritikpunkt“ den ich finde.
Für wen ist „Life Changer“ geeignet?
Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass die heutigen Diskussionen in Politik und Gesellschaft viel zu kleingeistig sind? Viel zu beschränkt und zu wenig umfassend?
Denkt ihr euch manchmal, dass es zum Haare raufen ist, dass sich die Medien mit Meldungen überschlagen, nur weil eine Influencerin einen völlig sinnlosen Energy-Drink herausgebracht hat, wir den Menschen (DEN Life Changern), die an Technologien arbeiten, um uns als Menschheit wirklich weiterzubringen, kaum Gehör schenken?
Habt ihr auch das Gefühl, dass es zum Weinen sein könnte, mit welchen hausgemachten Problemen wir uns rumschlagen müssen, statt alle zusammen an den grossen Herausforderungen der Welt zu arbeiten?
Wenn ihr diese Fragen mit „ja“ beantworten könnt, dann ist das Buch „Life Changer“ etwas für euch! Es hilft dabei, den eigenen Blick wieder etwas zu weiten. Bei all den Problemen auf der Welt, ist es wichtig, immer wieder über den eigenen Komfortbereich hinaus zu denken und dementsprechend zu handeln. Wenn ihr dann auch noch an Technologien interessiert seid, macht ihr mit „Life Changer“ nichts falsch – im Gegenteil.
Meine persönliche Meinung
Christoph Keese spricht in seinem Buch ein zentrales Thema an, über das auch ich immer wieder nachdenken muss: Der Mensch wird sein Verhalten nicht ändern! Zumindest so lange nicht, bis Naturkatastrophen auch den eigenen Komfortbereich betreffen. Alle Aufrufe in diese Richtung werden eher als Moralaposteltum abgetan.
Es ist wie mit der Energiewende: Ja, ich bin für erneuerbare Energien, aber nicht meinem Garten. Wir Menschen entwickeln viel lieber Tools (Technologien), die uns weiterhin Wohlstand garantieren, ohne dass wir dafür das eigene Verhalten oder gar unsere Komfortzone verändern müssen. Diese teilweise schon philosophischen Fragen bringt „Life Changer“ immer wieder geschickt auf, zumindest hat es mich immer wieder zum Nachdenken angeregt.
Natürlich kommt das Buch nicht ohne Seitenhiebe auf die „Lieblings-Industrie“ von Christoph Keese aus: der Automobilindustrie. Dabei musste ich schmunzeln – hat mir aber grundsätzlich gefallen. Mir hat es auch aus der Seele gesprochen, dass es für die wirklich grossen Sprünge nach vorne unbedingt notwendig ist, mehr in Deep Tech hineinzugehen, darüber zu diskutieren und letztendlich mit viel mehr Wagniskapital aus Deutschland auch zu finanzieren. Vergessen wir doch bitte den x-ten Onlineshop, den nächsten schnellsten Lieferdienst oder das bunteste Getränk – alles Sachen, die uns bei den grossen Herausforderungen in den genannten Kapiteln null weiterbringen.
„Life Changer“ soll inspirieren und Hoffnung in Sachen Technologie made in Germany verbreiten. Das hat mir mit am besten gefallen. Ich habe das diesmalige Bild dazu von einem Ort gemacht, an dem viele technologische Innovationen entstehen. Hoffentlich kann ich in der Zukunft eins zum Beispiel vorm Brandenburger Tor oder dem Kölner Dom machen.
Das Buch stimmt einen hoffnungsvoll. Etwas, das wir in den derzeit turbulenten Zeiten gut gebrauchen können. Mir ist aufgefallen, dass Christoph Keese im Vergleich zu seinen älteren Büchern, auch in Sachen Storytelling nochmal einen draufgelegt hat: So erfahren wir von persönlichen Situationen und Beobachtungen, die helfen, die Gesamtsituation einzuordnen und uns als Leser mitzunehmen.
Ich war mir anfangs unsicher, ob Christoph Kesse nach Erfolgen wie Silicon Germany oder Disrupt Yourself nochmals ein so gutes Buch in dieser Sektion abliefern wird können. Aber was soll ich sagen: Er hat sehr überzeugend geliefert!