Scroll to top

Einmal Silicon Valley und zurück: Teil 3


janwo - 2. Oktober 2022 - 1 comment

Die Zeit rast: Zwei von drei Monaten sind bereits um und ich kann wirklich sagen, im Alltag angekommen zu sein. Ich habe einen geordneten und strukturierten Tagesablauf, sowohl bei der Arbeit als auch danach, mit Wäsche waschen, einkaufen, kochen und die Region erkunden.
Doch der Alltag zeigt mir nun auch, was ich an der Heimat schätze und tatsächlich auch vermisse. Ich habe, so zumindest mein Eindruck, inzwischen auch wesentlich besser verstanden (und erlebe es selbst), wie sich die Arbeitskultur hier im Valley zu jener in Deutschland/Schweiz unterscheidet. Das war ja auch eins meiner grossen Ziele, nämlich genau das selbst herauszufinden.
Aber dazu mehr im dritten Teil, über meinen Aufenthalt hier im Silicon Valley.

Ich habe dieses Mal auch wieder das Format des Posts etwas geändert. So gibt es dieses Mal mehr konkrete Tipps als „nur“ Geschichten. Sagt mir gerne, was ihr besser findet.

Einen Einblick in die Arbeit

Ich habe mir zu Beginn meiner Reise ein paar grundsätzliche Fragen überlegt, die ich so ziemlich jedem stelle, den ich hier neu während der Arbeit kennenlerne:

  1. Was zeichnet für dich die Arbeitskultur hier in der Bay Area aus?
    Wenn mein Gesprächspartner schonmal in Europa gearbeitet hat (was die meisten schon getan haben), frage ich auch, was er für Unterschiede sieht.
  2. Was inspiriert dich und woher holst du dir neue Inspiration?
  3. Was sind die grössten Herausforderungen, die du grade (beruflich) zu bewältigen hast?

Die Antworten auf diese Fragen sind recht interessant, weshalb ich sie high-Level gerne mit euch teilen würde.

1. Die Arbeitskultur

Was ich feststelle ist, dass man sehr viel Wert auf gemeinsame Aktivitäten neben der reinen Arbeitszeit legt. Noch deutlich mehr, als ich das aus der Heimat kenne – und das fand ich schon nicht schlecht. Ebenso versucht man hier noch (deutlich) mehr die Identifikation mit der Arbeit und seinen Projekten zu stärken: So kommt es, dass man an den T-Shirts, die die Mitarbeitenden tragen, erkennen kann, an welchen Projekten oder in welchen Teams sie arbeiten. Es ist nicht so, dass es das bei uns nicht gibt, aber hier ist es einfach ausgeprägter. Das hat einfach etwas damit zu tun, dass man stolz darauf ist und das auch zeigen möchte. Es sind solche Kleinigkeiten, die mir immer mehr auffallen.
War ich es gewöhnt, einmal im Jahr eine Art grosses Sommerfest zu feiern, erlebe ich hier solche grösseren Social-Events monatlich.

„Jan, this is part of our DNA!“

Zitat eines kollegen als ich ihn auf die vielen Social-events angesprochen habe

Wenn das (freiwillige) aktive Zusammenkommen und Spaß haben, so ein fester Teil der Firmen-DNA ist, denke ich, hat man etwas grossartiges geschafft. Es zeigt auch nochmal deutlich einen Punkt, den Remote-Arbeit niemals wird ersetzen können.

Ich hatte auch die Gelegenheit, mit ein paar Führungspersonen, sowohl aus der eigenen als auch aus anderen Firmen hier zu sprechen. Ich interessiere mich immer für Tipps und Ratschläge darüber, was sie mir beruflich mitgeben würden und die folgenden Punkte waren Key Takeaways, die man mir mitgegeben hat:

Arbeite an deinem Netzwerk
Ich arbeite in einem globalen Konzern, aber ich würde behaupten, das gilt für jegliche Firmengröße. Sich aktiv immer weiter zu vernetzen, ist heutzutage einfach extrem wichtig. Dumm sei der, der sein Netzwerk nicht nutzt. Es braucht Überwindung fremden Personen Einladungen zu einem Kaffee oder Lunch zu schicken, aber es wird einem später helfen. Key ist dabei, das Netzwerk über die eigene Bubble hinaus zu erweitern. Man sagte zu mir, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen wird, an dem man Hilfe von jemand anderem braucht und dann zahlt sich das aktive Netzwerken aus.

Konzentriere dich auf deine Stärken, nicht Schwächen
Ich kenne es auch noch so, dass man in Personalgesprächen gemeinsam überlegt, wie man in Sachen besser werden kann, die man nicht so gut beherrscht. Hier sagte man mir folgendes: „Do amazing things by working on topics you are amazing at!“ Für den Rest, baue dir ein Team mit Mitstreitern auf, die da besser sind, wo du es nicht bist. In dem Satz steckt bei genauerem Hinsehen so viel mehr drin: Diversität, Arbeitskultur, Teambuilding bis hin zum Führen und Begeistern von Teams.

Geschwindigkeit ist alles
Ich war es bisher gewohnt, sehr konsens(max. konsent)-orientiert zu sein. Hier ist es eher so, dass man einen „Decision“-Maker im Team bestimmt, um schnell entscheiden und ausführen zu können. Jemand mit einer grossen Vision, der den Takt vorgibt und der muss dann maximal sein. Ich kann das natürlich nicht verallgemeinern, aber dies war auch eine Erkenntnis, die ich aus Gesprächen und persönlichen Erlebnissen bislang mitnehmen konnte. Ich denke, einen Mittelweg zu finden, sollte das Ziel sein, aber Beurteilungskriterium stärker die Geschwindigkeit. Wie bin ich schneller als alle anderen? Wie bekomme ich schneller Feedback? Wie kann ich mich schneller als alle anderen verbessern?

Gefragt nach den Unterschieden zwischen dem Arbeiten hier im Silicon Valley und Deutschland ist die Erkenntnis, dass man hier im Valley schneller ist Entscheidungen zu treffen. Einfach erstmal zu testen, auch wenn etwas nicht 100%ig fertig ist. Die Ideenfindung und der Innovationsprozess ist etwas dezentralisierter. Wir Deutschen seien besser darin, effizient zu sein, denn wir lägen mehr Wert auf klare Standardprozesse, aber neigen zu Overengineering.

2. Auf der Suche nach ständiger Inspiration

Für mich ist ein Firmenbesuch, das Kennenlernen eines anderen Teams oder ein Gespräch immer dann besonders wertvoll, wenn ich mich inspiriert fühle. Gab es etwas Neues, dass ich lernen konnte? Habe ich eine neue Erkenntnis gewinnen können oder wurde ich auf einen neuen Sachverhalt aufmerksam gemacht? Ich habe meine Gesprächspartner immer wieder gefragt, woher sie sich neuen Input besorgen und die Antworten gebe ich euch gerne mit:

  • Frage dein Gegenüber nach einer Person aus der Firma, die ihn inspiriert, um mit dieser Person anschliessend einen Kaffee trinken zu gehen
  • Lade häufiger andere Personen ein, gemeinsam Mittagessen zu gehen
  • Frage bewusst nach den wichtigsten Personen im Netzwerk des anderen und lerne diese kennen – teile aber auch deins
  • Vereinbart Besuche bei anderer Firmen, auch wenn diese fachfremd sind und lernt ihre Methoden zum Aufbau von innovativen Teams und einer inspirierenden Firmenkultur kennen
  • Abonniere verschiedene Newsletter und setze dir Google Alerts zu Themen, die dich interessieren
  • Höre Podcasts und frage andere nach ihren Empfehlungen
  • Schaue TED-Talks
  • Halte auf den bekannten Streamingportalen Ausschau nach spannenden Gründer-/Unternehmerstorys

Das waren so die meist genannten Punkte und ich hoffe, einige davon können euch vielleicht ebenso inspirieren.

3. Die grössten Herausforderungen

Hier ist ganz klar das Thema Arbeitsort zu nennen, denn viele wollen weiterhin von zu Hause arbeiten. Dass man dann aber nicht als Team zusammenkommt, ist klar. Das ist derzeit wirklich die grösste Challenge für nahezu alle Unternehmen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Entfernungen hier sind einfach nicht zu vergleichen mit unseren in Deutschland und Europa. Alles liegt viel weiter auseinander und das öffentliche Transportnetzwerk ist mit unserem nicht zu vergleichen.
Man bekommt die Menschen einfach nur schlecht aus den vielen weiter weg entfernten Orten zu den Arbeitsplätzen. Die Miet- und Kaufpreise sind so stark gestiegen, dass auch Gutverdiener weiter weg ins ländliche Umfeld ziehen. Daher sieht man mehr Busse der Firmen als welche von den öffentlichen Verkehrsunternehmen. Aus dem Grund gibt es zahlreiche Überlegungen dazu, wie man die Sites noch attraktiver für die Mitarbeitenden gestalten kann (als sie es jetzt schon sind).

Vom hiesigen Leben und Entdecken

Mittlerweile habe ich einen ganz guten Alltag, sowohl arbeitstechnisch als auch privat. Ein Highlight privat, neben dem Besuch meiner Frau, war vor allem der Besuch der Vandenberg Space Force Base. Im letzten Post hatte ich ja angekündigt, dass etwas „mit Sternen kommt“ und auf meiner Bucketlist stand, dass ich gerne einen Rakenstart anschauen möchte. Also habe ich einen kleinen Roadtrip gemacht und bin 4.5 Stunden später, durch einen glücklichen Zufall, auf dem private Launch Event von Firefly Aerospace gelandet – einem jungen Startup, das SpaceX Konkurrenz machen möchte. Nach einer Rede des CEO haben wir dann live die Startvorbereitungen verfolgt, bis der Countdown losging. Bei „0“ angekommen ist dann aber leider nichts passiert, da es technische Probleme gab. Nach mehreren Neuversuchen an dem Tag, wurde der Start dann leider wegen aufkommendem schlechten Wetter verschoben. Den Start gesehen habe ich also bedauerlicherweise nicht gesehen, aber es war schon toll, das Team und die Vorbereitungen live mitzuerleben. Das Kribbeln in der Luft, wenn der Countdown runterzählt und alle in Richtung der Rakete schauen.

Dann habe ich noch den Tech-Touri gemacht und bin zu den berühmten „Gründungs-Garagen“ von HP, Google und Apple gefahren. Ausserdem bin ich ins Netflix und eBay Headquarter gelaufen und habe einen nerdigen Besuch im Computer History Museum gemacht. Außerdem habe ich mich mit der Geschichte des Silicon Valley beschäftigt und warum es eigentlich so heisst, aber dazu wird auch noch ein eigenes Video kommen.
Apropos Video: Hier gab es einen kleinen Schreckmoment. Ich wollte unbedingt ein Bluetooth Mikrofon für meine Sony Kamera kaufen, da ich das Kabel Leid war. Im Laden wurde mir das Paket zur Kasse gebracht, da ich noch etwas im Laden schauen wollte. Nachdem ich bezahlt hatte und gegangen bin, hat es mich zur Tesla-Fabrik verschlagen. Dort wollte ich filmen und musste feststellen, dass das Paket geleert und mein Mikro entnommen wurde. Zu meinem Pech hatte ich nicht nachgeschaut, aber an irgendeiner Stelle muss jemand das Mikro gestohlen haben. Also bin ich wieder zurück in den Laden und hatte eigentlich nicht damit gerechnet, meine 250 € wieder zubekommen. Aber ohne Diskussionen wurde mir der Betrag zurückerstattet – scheinbar nicht das erste Mal gewesen. Glück im Unglück gehabt.

Wohin geht das Geld der Unternehmen?

Neben dem vielen Guten, was ich hier erlebe, möchte ich zum Schluss aber auch über eine Schattenseite reden, die ich wahrnehme: Hier in der Region sind einige der wertvollsten Unternehmen der Welt beheimatet. Geld ist hier kein Problem und die Firmen betreiben irrsinnigen Aufwand und investieren Unsummen, immer die neusten Ideen und Startups zu finden und in sie zu investieren. Warum ist also die öffentliche Infrastruktur ausserhalb der Unternehmensbereiche oft so schlecht und heruntergekommen? Die Strassen sind grösstenteils in ziemlich schlechtem Zustand, vom Zugfahren wurde mir tunlichst abgeraten, die Busse haben die besten Jahre bereits hinter sich und nahezu an allen Strassen Müll. Ganz schlimm ist es an den Freeways. Ich musste bereits Holzplanken, Eisenstangen, Seilen, Reifen und Planen ausweichen – das ist mir in 15 Jahren auf deutschen Strassen nicht passiert.
Warum gibt es (auch nach den Aussagen der Anwohner) immer mehr Obdachlose? Warum werden so viele Autos aufgebrochen? Wohin gehen die ganzen Steuern, die man hier einnimmt? Ich verstehe diese krassen Unterschiede wirklich nicht und hätte, ehrlich gesagt, einfach mehr erwartet.
Darauf angesprochen antwortete mir ein Kollege, dass die Politik hier und im ganzen Land von Lobbyismus geprägt sei. So kommt es, dass Gesetze nicht nach dem besten für die Menschen gemacht wird, sondern was für gewisse Interessensgruppen am besten ist. Das ist furchtbar ab, aber lässt sich natürlich nicht verallgemeinern. Ich merke aber auch, wie „müde“ viele meiner Gesprächspartner beim Thema Politik sind. Sie sind die ständigen Streitereien der beiden grossen Parteien leid und im Grunde teilen viele die gleichen Werte und haben ein ähnliches Verständnis davon, wie eine gesunde Gesellschaft und Metropolregion aussehen sollte.

Etwas zum Schluss

So, jetzt ist der Blogartikel wieder länger geworden als ich dachte und dabei habe ich mir schon Mühe gegeben, zu kürzen. Ich hoffe aber, ich konnte euch dieses Mal etwas mehr konkrete Tipps an die Hand geben. Das war der vorletzte Teil meiner Blogreihe über meinen Aufenthalt hier im Silicon Valley. Ich habe ausserdem angefangen, ein paar Videos zu schneiden, um das Ganze noch interaktiver zu machen.

Viel Spass damit und bis zum nächsten Mal.

Die weiteren Teile der Reihe

Related posts

1 comment

  1. […] Zu Teil 3 von „Einmal Silicon Valley und zurück“ […]

Post a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert