Oder: Eine Geschichte, wie man einen digitalen Workflow unnötig kompliziert machen kann!
Wahrscheinlich denkt ihr euch jetzt, warum ich hier über die Steuerthemen schreibe?! Ganz ehrlich: Weil es mich immer wieder überrascht, wenn der Staat sich mit seinen „digitalen Angeboten“ hervortun will, es aber doch wieder….ich muss es leider so sagen…vermasselt. Das jüngste Beispiel hat mich wieder einige Male völlig entnervt, dass ich darüber schreiben wollte.
Anfang Juni 2022 habe ich, wie wahrscheinlich Millionen andere Menschen in Deutschland, eine Aufforderung erhalten, meine Feststellungserklärung zur Bemessung der Grundsteuer einzureichen. Das Ganze komplett digital via Elster. Erst überrascht und doch erfreut, dass ich alles digital machen soll, traf mich Ernüchterung als ich auf den Workflow dahinter gestossen bin. Aber bevor wir zu dem eigentlichen Prozess kommen, habe ich mich gefragt: Warum muss ich überhaupt noch so viele Daten eingeben, wenn eigentlich ALLES den Behörden vorliegt?
Warum muss ich meine persönlichen Daten, Steuernummern, Heiratsdaten uvm. in ein Portal eingeben, wenn diese Daten dem Finanzamt seit zig Jahren vorliegen? Warum lieber Staat? Warum sind diese Daten nicht schon lange für jede Behörde verfügbar? Ich verstehe es wirklich nicht mehr. Gibt es dazu einen plausiblen Grund, den ich nicht kenne?
Erstellung der Feststellungserklärung
Der ganze Prozess zeigt, wie wichtig User-Tests sind. Man sollte x-beliebige Personen nehmen, ihnen das Schreiben in die Hand drücken und sagen „mach mal“. Man wäre überrascht, was man für Feedback bekommt. Ich denke nicht, dass man an die tausenden alten Menschen gedacht, die jetzt diesen Prozess durchlaufen müssen. Soll alles extra kompliziert sein, damit das Gewerk der Steuerberater etwas zu tun hat? Der Gedanke kam mir ein paar mal, aber das kann doch nicht Sinn und Zweck der Digitalisierung sein, wenn den Prozess dann wieder nur ein paar wenige direkt durchschauen. Ziel sollte es doch sein, dass die Bürger:innen es selbst können. Aber fangen wir ganz vorne an.
Schritt 1 – ELSTER Login / Benutzerkonto einrichten
In dem Brief wird darauf hingewiesen, dass man ein Elster-Zugang braucht. Einige werden den nicht haben, sodass sie sich ein Benutzerkonto erstellen müssen. Für Privatpersonen hat man die Auswahl, ob es eine Zertifikatsdatei sein soll oder via Personalausweis. Die Sicherheit mal aussen vor gelassen, musste ich den Unterschied und die Durchführung jedem in meiner Familie erklären. Mal schauen, wie viele ihre Zertifikatsdatei nächstes Jahr noch haben.
Hat man seine Steuer- und Identifikationsnummer zur Hand muss man ein paar Tage warten, denn man erhält nochmal via Mail+Post einen Zugangsschlüssel. Erst damit kommt man letztendlich in sein Elster Portal.
Schritt 2 – Erklärung anlegen
Wie kann es heute noch sein, dass man selbst als digital-affiner Mensch noch so oft denkt „Häh…was meinen die da? Wo stehen jetzt die Daten?“. Wenn ich mich einlogge, komme ich direkt zur Übersicht „Mein Elster“. An der Stelle habe ich mich gefragt, warum ich nicht direkt hier einen grossen Button sehe, auf dem steht „Feststellungserklärung Grundsteuer ausfüllen„. Laut Statista besitzen 50,5% der Menschen in Deutschland ein Wohneigentum und damit auch ein Grundstück bzw einen Teil davon. Das bedeutet, dass Millionen Sendungen verschickt wurden und alle müssen den gleichen Prozess durchlaufen. Mal abgesehen davon, dass noch Briefe verschickt werden müssen, sollte doch das Anliegen sein, diesen Prozess so einfach wie möglich zu gestalten. Vor allem die Landwirte tun mir leid, die diesen Prozess für zig ihrer Felder ausfüllen müssen.
Daher habe ich mich gewundert, dass ich erst beim Klick auf „Elster“ einen derartigen Hinweis gesehen habe. Der leitet einen aber immer noch nicht zum Formular, sondern erst zu einer Erklärseite (grundsätzlich gut).
Ich war immer noch auf der Suche nach der endgültigen Erklärung, die ich auszufüllen hatte. Einen Hinweis gab es dann im Erklärvideo:
Formulare & Leistungen > Grundsteuer > Erklärung zur Feststellung der Grundsteuer. Was mich an diesem Prozess getriggert hat, ist die Tatsache, dass das Formular „Feststellung zur […]“ heisst. Auch im Schreiben vom Finanzamt ist die Rede, dass man die Feststellungserklärung ausfüllen soll. Also klickt man im Menü der Formulare instinktiv auf den Reiter „Feststellungen“ nur um dann festzustellen, dass die dort abgelegten Formular nicht die richtigen sind. Erst unter dem Reiter „Grundsteuer“ wird man dann fündig. Auch das hätte man instinktiver lösen können.
Schritt 3 – Feststellungserklärung ausfüllen
Vorab sollte man wissen, dass man als Besitzer eines Grundstücks (keine land- und forstwirtschaftliche Flächen) den Hauptvordruck (GW1) UND die Anlage Grundstück (GW2) auswählen muss. Ich finde es grundsätzlich gut, dass an allen Zellen blaue Kreise mit weissen Fragezeichen angebracht sind – die braucht man auch. Aber dazu später mehr.
Hauptvordruck (GW1)
Die allgemeinen Angaben sind relativ selbsterklärend, aber hier frage ich mich: Warum muss ich allgemeine Angaben wie meine persönlichen Daten immer wieder erneut eingeben? Warum gelange ich über einen personalisierten Link nicht zu einer Eingabemaske, in der ich Angaben nur kontrollieren muss, statt alles neu einzugeben?
Anlage Grundstück (GW2)
In der Anlage sind Bodenrichtwerte einzutragen. Gut, dass in der Beschreibung ein Link zum entsprechenden Portal mit den Bodenrichtwerten hinterlegt ist. Schlecht, dass ich wieder nicht direkt zu der URL geleitet werde, die ich eigentlich brauche: https://www.gutachterausschuesse-bw.de/borisbw/?lang=en
So muss man sich erst wieder durch Menüs klicken. Hier wäre auch wieder ein grosser Button nötig, der die Millionen Anwender gleich korrekt weiterleitet. Warum die unterschiedlichen Länder nicht auch ein einheitliches GIS-System (Geoinformationssystem) verwenden, habe ich mich an der Stelle auch wieder gefragt, aber nun gut – eine andere Baustelle.
In meinem Fall habe ich leider keine Angaben über die Bodenrichtwerte erhalten, da sie einfach noch nicht vorliegen. Es ist zu dem Zeitpunkt also schlicht nicht möglich, seine Erklärung fertig zu machen. Nachgefragt beim zuständigen Gutachterausschuss teilte man mir freundlich mit, dass sie Ende Juli/Anfang August eingestellt werden. Auch hier habe ich mich gefragt, wie das sein kann? Es zeigt nämlich die enorme Schwachstelle auf, dass Grundlagendaten über Jahre schlicht und einfach nicht gepflegt und aktualisiert worden sind.
Schritt 4 – Feststellungserklärung prüfen und versenden
Hat man alle Daten eingegeben, klickt man ein letztes Mal auf „Prüfen der Eingabe„. Ist alles korrekt eingetragen, kann die Feststellungserklärung gleich verschickt werden. In meinem Fall wurde lediglich der Hinweis ausgegeben, dass die Angabe des Flurs noch fehlen würde. Diese liegt aber de facto nicht vor, daher kann das Formular auch ohne diese Angabe verschickt werden.
Zusammenfassung
Es ist gut, richtig und wichtig, dass solche Erklärungen rein digital auszufüllen sind! Ich finde es auch absolut korrekt, dass man auch keine Papiereingaben mehr erlaubt – schliesslich müssen sich alle (nicht nur die Behörden) mit der Tatsache auseinandersetzen, dass Daten auf Papier nicht skalieren.
Ich habe mich aber so oft gefragt, weshalb der Prozess so unnötig verkompliziert und von der User Experience Seite her so schlecht aufgesetzt wurde.
Am Wochenende kam dan noch hinzu, dass die Server ausgefallen sind.
Für die Zukunft würde ich den Behörden daher empfehlen:
- Vorhandene Stammdaten müssen einfach bereits hinterlegt sein. Es kann nicht sein, dass man Daten elektronisch bei einer Behörde anfragt, diese via Post als Auszug auf dem System zugesandt bekommt, nur um diese wieder neu eingeben zu müssen. Hier muss es schlicht so werden, dass man nur noch Abweichungen korrigieren, aber nicht alles immer wieder neu eingeben muss.
- Auf externe Inhalte verweisende Links, sollten direkt dorthin führen, wo die Angaben auch zu finden sind.
- Es ist zwingend erforderlich, dass es einheitliche Standards auf Bundesebene gibt. Diese unterschiedlichen Einzellösungen (Beispiel GIS-Systeme) pro Bundesland sind eine Katastrophe für den Endnutzer.
- Der ganze Workflow muss mit Nutzer:innen unterschiedlicher Altersklassen durchgespielt werden. Dann würde man merken, wie Benutzerunfreundlich es an einigen Stellen ist. Ziel darf nicht sein, dass nur Steuerberater sowas ausfüllen können. Auf die Einfachheit kommt es an!
Kleiner Tipp
Für Privateigentum (Eigentumswohnungen, Häuser) hat das Finanzministerium ein eigenes Angebot zur Abgabe der Feststellungserklärung aufgebaut. Kleiner Treppenwitz: Auch hier nehmen nicht alle Bundesländer teil. Es soll aber intuitiver auszufüllen sein. Das habe ich allerdings noch nicht getestet.
Was waren eure Erfahrungen oder habt ihr weitere Tipps/Hinweise?
Anonym
Danke für die Links. Das hätte man wirklich einfacher machen können…