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Einmal Silicon Valley und zurück: Teil 4


janwo - 28. Oktober 2022 - 0 comments

Da ist er, der letzte Teil meiner Reihe über meinen Aufenthalt im Mekka der Inspiration und der Technologie. Drei Monate sind rasend schnell vergangen und ich bin wieder zu Hause angekommen. Die letzten Wochen hatten es nochmal in sich, denn die Monate im Voraus geplanten Besuche bei den BigTechs waren dran. Zeit für ein Resümee. Ja, was machen die Menschen und Unternehmen im Silicon Valley denn nun anders als wir?

Was macht das Silicon Valley so erfolgreich?

Ganz knapp und in drei Worten: Talente, Technologie und Kapital. Diese drei Dinge in einer hohen Konzentration und einander verstärkenden Beziehung. Doch es ist auch eine andere Mentalität, nämlich der des testen, scheitern, lernen, neu versuchen. Hinzu kommt, dass man Ideen von Beginn an einfach grösser denkt. Ganz im Sinne der Disruption.

Aber soweit nichts Neues, nichts was man nicht schon woanders gelesen hat. Was also noch? Ich sage es euch: Kreativität und Kollaboration. Die Firmen setzen viel stärker auf Umgebungen, Angebote und Strukturen, die zu Kreativität und Kollaboration anregen. Auch der Spaßfaktor im Büro wird stärker gewichtet (fun & playful). Geht einmal selbst durch euer Büro und beobachtet aufmerksam den Alltag: Fühlt ihr euch per se zu Kreativität und Zusammenarbeit angespornt? Spürt ihr, dass die Menschen hier Spaß haben? Spürt ihr, dass die Menschen mehr Freunde als nur Arbeitskollegen sind? Ich lerne viele Firmen kennen und kann euch sagen, dass der Grossteil nicht so arbeitet. Viel mehr geht es um Titel, Abteilungen und klare Prozesse. Es ist nicht so, dass die Menschen im Valley besser sind oder mehr können, ganz und gar nicht. Es ist auch nichts Unerreichbares oder Mystisches im Silicon Valley. Die Art und Weise, wie Menschen zusammenarbeiten und Grossartiges erschaffen, ist anders und wird bewusst gefördert.
Zu oft wird auch missverstanden, dass ein fancy Büro mit Kicker genug sei und das Sprechen über flache Hierarchien. Falsch. Wenn die ganze Firmenkultur nicht darauf ausgerichtet ist, bringt einem auch das schönste Büro nichts.

Eins von vielen Mitarbeitenden-Events: Hier haben verschiedene Teams Bier zum „Testen“ gebraut

Um eben genau die Firmenkultur weiterzuentwickeln, die Mitarbeitenden zu inspirieren und anzuspornen, ist auch die Nähe zu den Gründern und/oder Firmeninhabern intensiver als bei uns. An den Wänden findet man manchmal eingerahmte Notizen der Gründer, die inspirieren. Ich selbst habe viel mehr soziale Events kennengelernt und konnte daran teilnehmen. In der Heimat höre ich eher Sätze wie „nicht in meiner Freizeit auch noch etwas von der Arbeit“. Dabei geht es gar nicht in erster Linie um Arbeit, sondern darum, sich besser kennenzulernen. Und ja, natürlich, im besten Fall entsteht dabei etwas Neues. Das Ganze bildet das Fundament einer kollaborativen und kreativen Arbeitskultur. Das lassen sich die Firmen auch einiges kosten, denn alles auf diesen Events ist gratis und diese finden noch während der regulären Arbeitszeit statt. Aber es wird als lohnenswertes Investment in die Zukunft gesehen.

Ein paar meiner Highlights

In den letzten Wochen waren dann noch einmal ein paar Highlights auf der Tagesordnung. Kurz vorweg: Ich habe gut drei Monate gebraucht, um die meisten davon vorab zu planen. Es empfiehlt sich also, seinen Aufenthalt länger im Voraus zu planen. Kurzfristige und spontane Besuche, vor allem bei Firmen, sind eher schwierig. Doch fangen wir bei den BigTechs an.

Zu Besuch bei den BigTechs

Ich hatte unter anderem die Möglichkeit, bei grossen Firmen wie Airbnb, Microsoft, Cisco, Google als auch Apple vorbeizuschauen und jeweils einen Tag mit ihnen zu verbringen. Alle Besuche hatten etwas Besonderes, denn der Fokus war jeweils ein anderer:

Jeden Besuch im Detail hier aufzuschreiben, würde leider den Umfang sprengen, aber ich habe euch in der Auflistung nochmals meine etwas detaillierten Berichte aus LinkedIn verlinkt. An der Stelle möchte ich einfach nochmal kurz erwähnen, dass die Firmen weit mehr bieten, als nur schicke Büros oder kostenloses Mittagessen! Das sind nur „kleine“ Services, die alle in Summe dazu beitragen, eine sehr spezielle Firmenkultur zu fördern. Das kann auf den Bildern nämlich schnell einen falschen Eindruck erwecken.

In die Startupkultur reinschnuppern

Etwas rustikaler, aber deshalb nicht weniger inspirierend und imposant, war mein Besuch bei einem kleinen Robotikstartup namens Rapid Robotics. In der jüngsten Finanzierungsrunde hat das Team erst 37Mio. $ eingesammelt. Hier hat sich Gründer und CEO Jordan Kretchmer für mich Zeit genommen und mir sein Unternehmen, aber auch sein Produkt vorgestellt. Ich darf an der Stelle sagen, dass ich noch nie einen so guten Pitch eines Unternehmens gehört habe! Wirklich faszinierend und ganz nach dem Motto „Pitch the problem, not the solution.“ Wäre ich ein VC (Venture Capitalist) gewesen, hätte ich gleich investiert. 😁 Eigentlich habe ich auch Fehler gemacht, denn er selbst sieht sein Unternehmen nicht als Hardware-Robotikunternehmen, sondern als Softwareunternehmen. Warum ist das Detail so wichtig? Software skaliert viel besser als Hardware. Ich durfte filmen und fotografieren, denn die IP (Intellectual Property) liegt nicht im Robotikarm, sondern in der KI zur visuellen Bilderkennung. Wie er mir das und die finanziellen Zusammenhänge erklärt hat, hat mich fasziniert und wird mich sicherlich in Zukunft beeinflussen.

Sehr zu empfehlen ist auch der WeWork-Bereich im Salesforcetower von San Francisco. Hier könnt ihr ganz einfach Tagesplätze reservieren und sehr einfach andere Gründer kennenlernen. Ich fand es unglaublich inspirierend, sich mit anderen über Go-To-Market-Strategien, User Engagement-Tests und Applogiken zu unterhalten. Gekrönt wird das Ganze mit einem grandiosen Ausblick, tollen Arbeitsplätzen und gutem Kaffee.☕️

Ebenfalls kennenlernen konnte ich das Raketenstartup Firefly, oder besser gesagt: Ich hatte die Möglichkeit, bei ihrem Launch-Event ihres zweiten Raketenstarts dabei zu sein (die erste Rakete ist explodiert). Durch einen glücklichen Zufall hatte ich die Chance, bei der Vandenberg Space Base dem zweiten Start beizuwohnen, inkl. Rede des CEO und den nervenaufreibenden Startvorbereitungen.
Übrigens kleiner Tipp: Wenn ihr einmal selbst einen Raketenstart anschauen wollt, findet ihr hier eine Onlinekarte mit den besten Spots.

Die Zukunft der Pharma

Ebenfalls zu meinen Highlights zähle ich die Besuche bei uns firmenintern an den Standorten Hillsborough (Oregon) und Vacaville (Kalifornien). In Hillsborough konnte ich nicht nur sehen, wie wir Pharmaprodukte von der Befüllung bis zur Auslieferung herstellen, sondern konnte auch das neue Zentrum für Individualtherapien kennenlernen. Ganz grob als Laie und nicht als Forscher oder Mediziner gesagt: Wie kann man mit nur einer Abgabe von Blut ein individuelles Medikament entwickeln, das mich nach der einmaligen Einnahme heilt? Richtig spannend und enorm wichtig für die Zukunft.
In Hillsborough konnte ich dann nochmal mit eigenen Augen sehen, wie wir produzieren und wie die einzelnen Prozessschritte aussehen. Übrigens einer der grössten Pharmaproduktionsstandorte der Welt (gemessen am Produktionsvolumen). Auch wenn ich kein Prozessingenieur bin, hoch spannend und aufschlussreich, wenn man das mal mit eigenen Augen sieht.

Amerikanische Events

Ein privates Highlight war u.a. der Besuch im Chase Center – dem Basketballstadion in San Francisco, in dem die Golden State Warriors gegen die Portland Trail Blazers antraten. Die Atmosphäre, das Setting und alles drum rum waren einfach gigantisch. Man muss kein Basketballfan sein, um sich bei einem solchen Sportevent mitgerissen zu fühlen. Wir haben es am Ende sogar auf die Dance-Cam geschafft (leider finde ich online kein Recording dazu). 😉

Ein Besuch mit meinem Vater im Chase Center bei den Golden State Warriors

Richtig patriotisch wurde es dann während der Fleet Week. Für ein paar Tage liegen dann Schiffe der US-Navi im Hafen und es gibt Flugshows, u.a. mit den Blue Angels. Bei uns in Deutschland absolut undenkbar, grosse Events in Zusammenarbeit mit den Streitkräften durchzuführen, war es eine Erfahrung wert. Ich musste ja schon schmunzeln, als man den Jets bei ihren Flugshows zusah, während Danger Zone (aus dem Film Top Gun) aus den Lautsprechern am Boden donnerte.

Silicon Valley Map und weitere Empfehlungen

Ich habe alle Stationen, auf denen ich Halt gemacht habe, in eine Google Karte eingetragen. Ihr findet darauf nicht nur Empfehlungen zu klassischen Touri-Hotspots, sondern eben auch zu guten Restaurants (Empfehlungen von Kollegen) und eben zu ansässigen Firmen.

Da ich mittlerweile häufiger gefragt wurde, wie ich die diversen Besuche organisiert habe, an der Stelle noch meine Tipps:

  • Ich hatte mir extra einen Premiumaccount bei LinkedIn gekauft. Dann habe ich nach Personen in den entsprechenden Firmen gesucht, dessen Titel für mich relevant war. Diese habe ich nett angeschrieben und nach einem Austausch gefragt. Ich muss allerdings auch sagen, dass es bei den grossen Unternehmen über Weiterempfehlungen ging. Das Ganze hat, wie gesagt, in der Planung gut drei Monate gedauert. Die Sicherheitsbeschränkungen sind sehr stark und seit Corona bietet so gut wie niemand mehr separate Führungen an.
  • Bei Airbnb könnt ihr online eine Besichtigung vereinbaren. Das Ganze hat dann sogar einen guten Zweck, denn die Einnahmen daraus werden gespendet.

Fazit

Ich habe enorm viel lernen und mitnehmen können. Nicht nur arbeitstechnisch, sondern auch menschlich und kulturell. Ich habe nicht mehr das Gefühl, das Silicon Valley sei etwas Mystisches und Unerreichbares – ganz im Gegenteil. Ich glaube sogar fest, dass wir es hier zu Hause (in Deutschland und der Schweiz) tatsächlich besser könnten! Wir haben Talente, wir haben Geld und wir können Technologie. Hinzu kommt aber auch, dass bei uns der soziale Rahmen passt: Bei uns gibt es standardmässig Sozialversicherungen, die die Menschen auffangen. Wir haben gute Datenschutzvorschriften, die das Individuum schützen. All das in Kombination sind klare Wettbewerbsvorteile, die das Silicon Valley so nicht bieten kann und auf absehbarer Zeit nicht wird bieten können.

Wovon wir stärker wegkommen müssen, ist Arbeit als reine Tätigkeit zum Lohnerwerb zu verstehen. Wir müssen viel mehr Wert darauf legen, kreative Kulturen in den Teams zu schaffen. Zu mir sagte jemand, wir Deutschen könnten guten Prozesse standardisieren und effizient machen, aber wir sind nicht gut darin, Risiken und Unvorhersehbares zu akzeptieren. Auch sind unsere Ambitionen zu klein und wir berücksichtigen zu wenig die kreativen Gedanken. Die Arbeit ist euch etwas „verspielter“ als bei uns. Man kann es schwer in ein paar wenige Sätze packen, aber Kreativität und Spaß gehen Hand in Hand und sind letztendlich das Fundament einer innovativen, heterogenen und offenen Firmenkultur.
Recht hat er, aber daran kann man gut arbeiten.
Ich für meinen Teil werde versuchen, mehr von dieser Einstellung in meine Teams zu tragen und bin unglaublich dankbar für diese einmalige Lebenserfahrung.

Wenn ihr mehr erfahren wollt oder Fragen habt, dann schreibt mir einfach. Ich bereite gerade eine Vortragsreihe vor, um die Erlebnisse noch besser und detaillierter teilen zu können. Zudem werde ich die Erlebnisse in mein Buchprojekt einfliessen lassen.

Die weiteren Teile der Reihe

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